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Bloss keine Konflikte



…ich will mit niemandem Stress. Lass uns unsere Arbeit machen und danach wieder nach Hause gehen. Schön, wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen können und im gegenseitigen Respekt miteinander umgehen. Vielleicht finden wir sogar ein gemeinsames Thema, über das wir uns beide austauschen können. Das erleichtert die Zusammenarbeit, muss aber nicht sein.

Ich versuche Auseinandersetzungen nach Möglichkeiten zu vermeiden. Manchmal gehe ich ihnen auch bewusst aus dem Weg. Durch meine Hochempfindsamkeit nehme ich Konflikte viel intensiver wahr. Oft habe ich Mühe zu filtern, wie etwas gemeint ist.

Mir kommt die volle Ladung der Gefühle von meinem Gegenüber entgegen. Oft spüre ich es jemand meint, trotz seiner beschönigenden, positiv gefärbten Worte. Am liebsten würde ich mich in einem solchen Moment zurückziehen und alle Eindrücke fein säuberlich sortieren und einordnen und erst danach antworten. Aber das geht meistens nicht.

Darum reagiere ich oft abweisend und teilweise heftig, und dass nur, weil ich mich schützen muss. Wir wollen dir nichts Böses, ist was ich öfters zu hören bekomme. In den meisten Fällen stimmt das auch. Ich bin aber einfach nicht in der Lage zwischen all den unverarbeiteten Eindrücken, den richtigen hervorzuholen.

Weil mein (Arbeits)Umfeld das oft nicht versteht, werde ich zum Gesprächsthema. Den komischen, unliebsamen Arbeitskollegen, mit dem man seine Probleme hat. So gerate ich wieder in Konflikte. Etwas, was ich auf jeden Fall vermeiden will.

Darum arbeite ich an mir, passe mich an, schliesse Kompromisse, bis ich mich dabei komplett aufgebe und selbst verleugne.

Aussprachen und wie weiter…

Kürzlich hat ein Arbeitskollege behauptet, ich habe ihm hinter meinem Rücken den Stinkefinger gezeigt. Da ich an der Arbeit arbeiten und keine Konflikte lösen will, vermeide ich so etwas natürlich. Er hat den Dienstweg vorgezogen, anstatt mich direkt anzusprechen. Einige Wochen später wurde ich von meinem Teamleiter, der vom Vorgesetzten des Kollegen ein Mail erhalten hat, darauf angesprochen.

Leider haben die wenigsten Menschen, mich eingeschlossen, keinen Mumm, Konflikte direkt anzusprechen. Obschon wir alle von uns die Meinung haben, nicht zu beissen und durchaus gesprächsbereit zu sein.

Der Kollege grüsste mich nicht mehr und ging mir aus dem Weg. Bis ich vor dem Verlassen des Büros, mich vom Disponenten verabschiedete, und ihn explizit wiederholt grüsste, weil er geschwiegen hatte. So ist es quasi zu einer Aussprache gekommen. Im Gegensatz zu anderen Situationen, habe ich sie praktisch erzwungen. Denn ich hatte keine Angst, weil ich weiss, dass seine Anschuldigungen unbegründet sind.

Kompromisse fühlen sich oft Scheisse an…

Er bedrohte mich. „Meine Aussage, dass ich ihm den Stinkefinger nicht gezeigt habe, akzeptiere er nicht. Er fordere eine Entschuldigung, sonst gehe er ein Schritt weiter. Soll er doch dachte ich mir, ich bin im Recht und er kann mir nichts beweisen, dass meiner Meinung gar nie stattgefunden hat.

Ich weiss nicht, ob es trotzdem Angst war, oder das Gefühl kräftemässig die Eskalation dieses Konfliktes nicht zu bewältigen. Darum suchte ich nach einer Kompromisslösung, bei der er das Gesicht wahren konnte und ich nichts entschuldigen musste, was ich nicht gemacht habe. So sah sie aus:

Als Kompromiss, teilte ich ihm mit, dass er eventuell eine Handbewegung von mir so interpretiert haben könnte. Wenn, dann sei das höchstens unbewusst und ohne jede Absicht so rübergekommen. Ich gestikuliere öfters und kann mich nicht an jede Bewegung erinnern.

Warum fühlt sich diese Kompromisslösung so an, als hätte ich verloren? Ich habe das unterschwellige Gefühl besiegt worden und klein beigegeben zu haben.

Foto von Pexels