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Er ist nicht die Depression, er ist an ihr erkrankt!

Wie geht es deinem Freund? Er, der offen mit dir über seine Probleme spricht. Er, der auch die Dinge auch mal beim Namen nennt, wenn du dich nicht traust. Ich will diese Freunde zu Wort kommen lassen. Sie sollen direkt und ohne schöne Verzierungen schreiben können, wie sie mit Depressionen umgehen. Es sind keine Ratschläge oder Vorschläge für Skills (Überlebensstrategien). Unsere Freunde sollen sagen, was sie sich wünschen, wenn sie nichts mehr zu wünschen übrig haben.

Dumme Fragen und gescheite Antworten

Es gibt keine dummen Fragen. Dem stimme ich zu. Aber es gibt Fragen, die uns dumm vorkommen. Es liegt bei uns, wie wir sie beantworten wollen. Die richtige Antwort zu finden ist manchmal schwieriger als die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Aber es lohnt sich, denn nur so können wir dazu beitragen, dass unsere Freunde die folgenden Klischees nicht immer und immer wieder beantworten müssen.

Denk an etwas Schönes, dann geht es dir wieder besser

Obschon "auf andere Gedanken kommen" überlebenswichtig für depressive Menschen ist, kann so ein Satz komplett nach hinten losgehen. In einer akuten Phase ist alles schwarz oder höchstens grau. Ein solches Klischee suggeriert dem erkrankten Menschen, dass er sich die Depression nur ausdenkt.

Geh mal raus, bewege dich, mach mal Sport

Obschon das wirklich hilft, nützen diese Sätze einem depressiven Menschen oft wenig. Denn wenn er mittendrin steckt, ist selbst das Aufstehen nicht zu schaffen. Wie soll er dann noch durch die Gegend joggen!

Ich bin mir sicher, dass 99 % der Menschen mit Depressionen wissen, dass körperliche Betätigung hilft, auf andere Gedanken zu kommen, psychisch durchzuatmen und wieder einmal Tageslicht zu sehen. Aber - es muss sich NIEMAND ein Gewissen machen, der es nicht schafft. Für viele ist ein Schritt ans offene Fenster oder auf den Balkon bereits eine grosse Leistung.

Jeder ist mal traurig, reiss dich mal zusammen

Ein depressiver Mensch ist mit Überleben beschäftigt, da bleibt absolut keine Kraft, um sich zusammenzureissen. Er setzt alles ein, damit sein Leben nicht auseinanderfällt. Depression hat sehr viel mit Zweifeln und Verzweifeln zu tun. Mit solchen Aussagen bestärken Aussenstehende diese negativen Gefühle nur noch mehr. 

Du siehst gar nicht krank aus

Siehst du einem Menschen an, dass er einen Bandscheibenvorfall hat, wenn sein Gesicht nicht schmerzverzerrt und seine Körperhaltung verkrümmt ist? Erkennst du, dass bei deinem Gegenüber vor kurzem Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden ist? Du kannst nicht in die Seele eines Menschen blicken!

Durchfall, Kopfschmerzen, Fieber werden problemlos als Krankmeldungen akzeptiert. Warum ist das bei einer Depression nicht der Fall? Wann hat sich jemand mit der Begründung depressiv krankgemeldet? Das obschon Betroffene genauso arbeitsunfähig sind wie bei 40 Grad Fieber.

Warum bist du so unfreundlich und abweisend zu mir?

Wenn depressive Menschen überhaupt nicht oder abweisend reagieren, ist das keine Zurückweisung. Sie benötigen die wenigen, verbleibenden Kräfte, um zu überleben. Menschliche Interaktion liegt da oft nicht oder nur sehr eingeschränkt drin. Die Frage ist wohl eher, bin ich als gesunder Mensch bereit, auf mein erkranktes Teammitglied Rücksicht zu nehmen.

usw. usw. usw.

Vielen Dank an Pexels.com für das lizenzfreie Foto. 

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Gesundheit - das (Tabu)Thema

Was hast du für Geheimnisse? Was wissen die Menschen an der Arbeit über dich? Was kennt deine Partner*in nicht über dich? Ich bin definitiv kein Freund von Seelenstriptease und der Meinung, dass selbst liierte Paaren nicht alles von sich wissen müssen. Aber wie offen kannst du im nahen Beziehungsnetz und im beruflichen Umfeld offen über deine Gesundheit sprechen?

Über körperliche Erkrankungen oder Unfälle geht das noch relativ einfach. Aber es sieht bereits anders aus, wenn sich daraus etwas Chronisches entwickelt. Wenn man nicht mehr in der Lage ist, die erforderliche (körperliche) Leistung zu erbringen, ist man ganz schnell weg vom Fenster. In der Privatindustrie bereits ab 3 Monaten, bei bundesnahen Betrieben, ist nach 2 Jahren krankheitsbedingter Abwesenheit eine weitere Beschäftigung zumindest fraglich.

Im Arbeitsumfeld hängt sehr viel von den direkten Vorgesetzten ab, meiner Meinung zu viel. Wenn diese Person, eine psychische Erkrankung als "nicht so schlimm" oder Simulieren einstuft, ist der weitere Weg von Steinen übersät, wenn nicht sogar zugeschüttet. Was habe ich für Möglichkeiten, wenn ich mit dem Chef nicht klarkomme? Dann soll ich mich an den nächst höheren Vorgesetzten wenden. Was für ein Bullshit! Der wird sich in 99.9% der Fälle garantiert nicht gegen seine, von ihm eingesetzte Führungsperson wenden.

Darum werden psychische Erkrankungen so lange wie möglich geheim gehalten. Die Arbeitskolleg*innen merken es aber trotzdem. Wenn man im Beruf ständig eine Maske tragen muss, erzeugt das zusätzlichen Druck und Stress. Praktisch immer kommt es zu einem Knall.

Auch wir Männer haben unsere Tage. Ich habe aber noch nie erlebt, dass jemand in einer solchen Situation zum Chef ging: "Mir geht es psychisch schlecht, kann ich mich für morgen krankschreiben lassen?" Warum ist es nicht genauso selbstverständlich zu Hause bleiben zu können wie bei einem Migräneanfall oder bei Durchfall?

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