Das Märchen vom Teambildungsanlass
Wie war dein letzter Teambildungsanlass
Was hat sich am Zusammenhalt im Team, an der Arbeit verändert? Fand ein Umdenken statt und wie hat sich das ausgewirkt? Ich arbeite nun schon über 35 Jahre in verschiedenen Berufen und mit verschiedensten Arbeitskollegen und -kolleginnen zusammen. Ich teile hier meine ganz persönlichen Erfahrungen als hochempfindsamer Mann.
Freunde - Arbeitskollegen
Ich suche mir gerne selber aus, mit wem ich Zeit verbringen will, wem ich mein Herz ausschütte und wen ich um Rat frage. An der Arbeit werde ich da komplett fremdbestimmt. Grundsätzlich haben wir nicht die Aufgabe, uns gegenseitig zu betütteln. Wir haben Aufträge, in welcher Form auch immer, die erledigt werden müssen. Viele können nur gemeinsam erfüllt werden. Darum werden Arbeitsteams oder Zweckgemeinschaften gebildet. Die müssen funktionieren, trotzdem menschelt es überall, nicht immer, aber immer öfter.
Ich halte Arbeit und Privat bewusst strikte getrennt. Bei meinen Facebookfreunden befindet sich niemand von der Arbeit. Um mich ganz klar abzugrenzen, blockiere ich ihre Profile. Ich wurde schon zweimal ganz konkret bedroht, weil ich meine Erfahrungen mit meinen FB-Freunden geteilt habe. Die waren mit "anderen" befreundet und so ging meine Post weiter als mir lieb war. Im Beruf habe ich ausschliesslich Arbeitskollegen.
Was stimmt nicht in unserem Team?
Ich lache nicht bei Witzen unter der Gürtellinie. Sexistische Witze finde ich doof und deplatziert. Manchmal bringe ich das auch zum Ausdruck. Ich äussere mich nicht fremdenfeindlich und sehe mich als Ally der queeren Community. Wenn möglich, suche ich den Konsens. Wenn aber jemand mich in die Pfanne haut, Lügen über mich erzählt oder sonst niedermacht, kann ich auch emotional und heftig werden. Ich will eigentlich mit niemandem Streit, nur in Ruhe gelassen werden und meiner Arbeit nachgehen.
Trotzdem wurde ich in der Vergangenheit immer wieder mal als "das Problem" im Team bezeichnet. Egal wie menschenverachtend sich andere verhalten habe, die Ursache war ich. Das meine ich jetzt nicht als Totschlagargument (um eine Diskussion zu beenden).
In unserem Team sind sie das Problem!
Meine Berufserfahrung zeigt, eine Person, kann ein ganzes Team zerstören, etwas freundlicher formuliert, stören oder durcheinanderbringen. Ich bemerke so etwas lange bevor es entsteht. Wenn ich mit neuen Menschen zusammenkomme, kann ich innerhalb von 5min sagen: Das kommt gut. Das gibt viel Arbeit. Das wird explodieren. Doch, was mache ich oder noch besser, was macht der Teamleiter, wenn es in seiner Gruppe beginnt zu kriseln?
Eine Standardfrage bei Bewerbungsgesprächen. Die Standardantwort lautet: Ich suche das Gespräch mit der Person, wenn das nichts bringt, bitte ich um eine Klärung zusammen mit dem Teamleiter. Doch was hat er für Möglichkeiten? In mittleren bis grossen Unternehmen kann er die Person nicht einfach feuern. In der Regel ist er auch nicht psychologisch geschult, um zwischen Böswilligkeit, Charakter und psychischer Lebenssituation unterscheiden zu können. Bis jetzt habe ich es immer wieder erlebt, dass meine Hochempfindsamkeit (Hochsensibilität) als Überheblichkeit und Weigerung sich einzufügen verstanden wird.
Ich wurde jahrelang von einem Teammitglied terrorisiert. Ihm passierte nichts, mir wurde eine Zielvereinbarung aufs Auge gedrückt. Das ist die erste von 3 Stufen, die selbst bei einem bundesnahen Betrieb (im schlimmsten Fall) zu einer Kündigung führen können.
Die Lösung - ein Teambildungsanlass
Davon gibt es zwei Arten. Die erste, wie auf dem Titelbild, wo man eine gemeinsame teilweise verrückte Übung zusammen erlebt, wo das Teamwork wichtig ist. Dass beim Riverrafting, Abseilen, Feuerlaufen etc. Menschen getriggert werden, wird bewusst ignoriert. Die Betroffenen wagen es nicht auszusteigen, weil ja das Teamwork sooo wichtig ist. Die harmlosere Variante ist mit irgendwelchen Gesellschaftsspielen, Seilen oder Bauklötze, mit denen man gemeinsam Hindernisse überwinden muss. Bei der 3. Variante wird einem anhand eines sehr gescheiten Modells aufgezeigt, wie Teammitglieder agieren und reagieren und wie wir uns besser verstehen (müssen).
An einem Anlass der 3. Art meldete ich mich freiwillig als Opfer. Der Eventcoach (ja, Coach, keine Fachperson) zeigte uns auf, wie wir als Team funktionieren und danach Stille. Um dem Ganzen ein Ende zu bereiten, liess ich vor der ganzen Gruppe buchstäblich die Hosen runter, nahm alle meine Schuld auf mich und gelobte, mich zu ändern. Als ich realisierte, was ich getan hatte, fühlte ich mich schmutzig, verraten und missbraucht.
Klartext: Welcher gehirnamputierter Vollidiot ist der Meinung, mit einem Teambildungsanlass kann man den sagenumwobenen Teamspirit hervorzaubern? Nach einem Event und vielleicht noch ein paar Mediationssitzungen und alles ist wieder im Butter? Das Team harmoniert, zieht an einem Strang und alle kommen zufrieden, friedlich und glücklich zur Arbeit.
Mein Team - wie Tag und Nacht
Ja, das ist möglich und ich bin so dankbar, Teil eines Teams zu sein, wo genau dieser Geist gelebt wird. Wir helfen einander, niemand wird ausgegrenzt, so macht es richtig Spass zu arbeiten. Doch was ist der Grund? Der Unruhestifter (Mobber) wurde pensioniert. Es kamen neue Leute und neuer Wind. Alte Strukturen und Seilschaften wurden aufgebrochen. Vielleicht ist es auch ein bisschen die Zeit, dass wir uns und unsere Eigenarten besser kennen und einschätzen gelernt haben. Wir haben Team- und nicht Teambildungsanlässe. Die sind ganz ohne den verzweifelten Versuch, etwas zu bilden, was nicht künstlich herangezüchtet werden kann.