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Eine Zukunft im Nebel


Wie hast du dich gefühlt, als du umgezogen bist? Was für eine Herausforderung war es für dich, eine neue Arbeit oder neue Freunde zu finden? Ich mag keine Veränderungen. Bloss keine Veränderungen! Mir ist am liebsten, wenn die Schwingungen und Stimmungen zu Hause, an der Arbeit oder im Freundeskreis perfekt harmonieren.

Entgegen meinen Erwartungen, erhielt ich keine Zusage für einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Eigentlich ist das ein grosser Vorteil. Auf nächstes Jahr stehen grosse Veränderungen an. Im 3. Drittel wird die Situation noch einmal analysiert. Wenn sie mich dann "für immer" wollen, weiss ich mehr, was Sache ist und habe eine bessere Entscheidungsgrundlage. Ich kann problemlos zurück in meine alte Anstellung, das ist mir garantiert. Trotzdem bleibt eine Unsicherheit. Vieles ist im Nebel.

Um mich wohl zu fühlen, brauche ich aber eine Wettervorhersage für meine Lebensstürme, die 120prozentig zutrifft. Viel lieber wäre mir eine Garantie, dass der Arbeitsort so bleibt wie er ist und ich fest angestellt werde. Wenn ich wünschen könnte würde das Team perfekt zusammenspielen. Doch eine solche Garantie wird es nicht geben, und meine Wünsche wurden nicht erhört.

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Was habe ich dir getan?

Die Frauen arbeiten nicht gerne mit dir zusammen! Könnt ihr euch vorstellen, was eine solche Rückmeldung vom Chef in mir auslöst? Ich bin kein Macho! ich komme Frauen aus Prinzip nicht zu nahe! Ich muss nicht mit allen auf gut Freund machen! Trotzdem fange ich sofort an zu grübeln und lasse die letzten Monate vor meinem inneren Auge revue passieren. Auf meine Nachfrage wurde er nicht konkreter. Als ich ihm sagte, für mich ist unvorstellbar, dass sich XX auch negativ über mich geäussert habe, waren es plötzlich nicht mehr "alle" Frauen.

War da irgendetwas? Kann es sein, dass ich, durch mein Verhalten, irgendwo Missmut und Ärger verursacht habe. Als hochempfindsamer Mensch erinnere ich mich sehr gut an fast alle "Begegnungen". Ich habe sie in mir aufgenommen und kann sie nach belieben noch einmal abspielen. Meine Gefühle sind auch gespeichert und können zigfach wieder und wieder durchlebt werden.

Ich habe eine Kollegin zur Erfassung eines Arbeitsvorganges etwas gefragt. Ihre Antwort war teilweise falsch. Sie hat nachgehakt, ich habe ihr leider nur gesagt, dass ich sie verstanden habe, nicht aber auf ihre Fehleinschätzung hingewiesen. Ist es aber wirklich notwendig jede noch so kleine eventuell mögliche Konfliktsituation sofort anzusprechen? Genau das kann, mit dem Argument "harmoniesüchtig" wieder gegen mich verwendet werden.

Das wir an der Arbeit und Privat über die Menschen in unserem Umfeld sprechen, ist normal. Dass dabei zu einem grossen Teil gelästert und teilweise sogar intrigiert wird, gehört wohl zu der Natur des Menschen. Ich spielte in einem christlichen (!!!) Musikverein mit. Nach Jahren, ich war schon lange nicht mehr dabei, kam ein Mitglied zu mir und bat mich um Vergebung, weil er und andere damals über mich hergezogen. Bis jetzt hatte ich kein Problem damit. Jetzt aber schon! Leider habe ich an der Arbeit 1:1 mitbekommen, dass über mich getratscht wird. Jetzt habe ich ein Problem.

Nun ist es (wieder einmal) an mir, die Sachen anzusprechen. Dabei kann ich doch nur verlieren. Warum muss ich, als "Opfer" eigentlich den ersten Schritt machen? Wieso ist es meine Aufgabe die Situation zu klären? Läuft es (wieder einmal) darauf hinaus, dass ich mich Schuldig im Sinne des Getratsches bekenne? Klar bin ich gesprächsbereit, aber nicht so! Muss ich mich freiwillig ans Kreuz nageln lassen, damit die Harmonie wieder hergestellt ist?

Es ist leider so, dass Menschen, die nicht in das 08:15 Schema passen, immer wieder eine ähnliche Situation geraten. Ein Missbrauchsopfer wird auch vom neuen Partner geschlagen. Ein hochsensibler Mensch gerät immer wieder in Situationen, die ihn überfordern, weil er sich nicht abgrenzen kann und die Eindrücke ungefiltert sein Innerstes treffen.


Vielen Dank an Pexels für das kostenlose Foto.

(Mich hat die Kraft dieses Bildes angesprochen. Nicht, dass ich vorhabe, ins Wasser zu gehen)
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Liebe deinen Bettler wie dich selbst


Ich habe, wie die meisten Menschen, ein Suchtverhalten. Darum bin ich nicht besser oder schlechter als randständige Personen, die im Bahnhof um Geld für die Notschlafstelle betteln. Auch wenn es naheliegt, dass sie dieses Geld zweckentfremden, kann ich auf den ersten Blick nicht beurteilen, ob sie es zur Finanzierung ihrer Sucht verwenden.

In gewissen Städten, wie Bern, ist Betteln auf öffentlichem Boden erlaubt, an und in Bahnhöfen aber verboten. Da ich mich privat und beruflich in diesem Umfeld bewege, werde ich täglich von Menschen angebettelt. Das geht von einem harmlosen: Hast Du mir einen Franken/Euro bis zu einem agressiven Griff nach dem Geldbeutel von mir oder Reisenden.

Eigentlich bin ich (auch beruflich) nicht zum Eingreifen verpflichtet. Dazu gibt es Sicherheitspersonal. Diese sind aber meistens nicht anwesend, weil die Randständigen solche Situationen bewusst vermeiden. Im Bewusstsein, dass ich mir mehrheitlich Ärger einhandle, fühle ich mich oft gedrängt trotzdem etwas zu unternehmen. Mein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, ist dabei nicht hilfreich.

Ich liebe klare Regeln. Sie vermitteln mir (und anderen) Sicherheit. Dabei wird ein friedliches Miteinander angestrebt. Doch was passiert, wenn sich Menschen bewusst darüber hinwegsetzen? Muss ich das einfach akzeptieren oder kann und darf ich mich wehren, wenn ich angebettelt werde? Ist das Betteln ein Menschenrecht? Bin ich als privilegierter weisser Mann moralisch zum Geben verpfichtet?

Fragen darf man immer. Einverstanden, es kommt aber sehr auf den Ton an. Es macht für mich einen Unterschied ob ein bettelnder Mensch am Strassenrand sitzt oder mich anspricht. Wenn mich jemand beim Bezahlen am Billettautomaten stört, um (ungefragt) zu helfen und dann doch zu Schnorren, ist das für mich eine nicht tolerierbare Grenzüberschreitung.

Bettelnde Menschen verunsichern mich. Darum muss ich mich abgrenzen (schützen). Ich bin gerne grosszügig. Aber ich alleine entscheide wann, wo, wie bei wem und wie viel.

Bei meinen ganzen Gedanken, rund um das Thema bin ich auf die Katzentaler gestossen. In der Stadt Bern kann man so den Menschen an Stelle von Geld einen Taler verschenken, den sie bei bestimmten Institutionen einlösen können. "Nei, ig ha Euch ke Schtutz, aber e Taler."


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Ich bin nur noch müde


Wie war es, als du dich zum letzten Mal so richtig müde gefühlt hast? Ich meine nicht die willkommene Bettmüde bevor man schlafen geht. Nein, dann wann die To-do-Liste bis vor die Bürotüre reicht. Du hast einen neuen Job und willst alles richtig machen. Wenn Du unfreiwillig in Konflikte reingeraten bist und angefeindet wirst, weil du nur deine Meinung geäussert hast. Dazu kommt noch das Highlight vom Jahr, das Konzert, an dem du ein Solo spielst, dass du auf keinen Fall verkacken willst. 

Damit ist aber noch lange nicht Schluss. Nach dem Konzert darfst du in einer übervollen Mehrzweckhalle den Leuten Essen servieren. Der Verein zählt auf dich, auch wenn du nur noch Ruhe willst, setzt du dich dem Lärm aus, bis deine Ohren dröhnen.

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Party - Nein Danke!

Welches war deine letzte Party? Wie war der letzte Betriebsausflug? Wie fühlst du dich in einer Gruppe, beim Smalltalk, Essen oder Feiern? 

Gesellschaftliche Anlässe, bei denen ich mich nicht 100prozentig frei entscheiden kann, ob ich teilnehmen will, sind für mich eine Zumutung. Wehe, du lehnst einmal eine Einladung ab. Dann werden Dir tausende Vorwürfe, Interpretationen und Unterstellungen an den Kopf geworfen: "Fühlst du dich als etwas mehr Besseres? Das wäre doch die Gelegenheit uns besser kennen zu lernen, und du weigerst dich? Was stimmt nicht mit dir."

Mit mir ist alles in bester Ordnung! Ich mag mich einfach nicht im Privaten mit Arbeitskolleg*innen abgeben! Ich hasse belanglosen Smalltalk! Warum muss ich mich überhaupt rechtfertigen? Warum kann mein Entscheid nicht einfach akzeptiert werden? Warum zum Teufel muss ich erklären, warum ich mich, als hochempfindsamer Mensch bei einem erzwungenen gesellschaftlichen Treffen, überfordert und deplatziert fühle?

Ich bin im Moment noch Mitglied einer Pesonalkommission. Judihui und Trulala, man beschliesst eine 2tätigige Sitzung im Tessin. Weil es so schön ist, kombiniert man sie mit einem Ausflug, mit Nachtessen, Übernachtung, das volle Programm. Es steht ausser Frage, dass da alle sehr gerne teilnehmen. Man wird nicht einmal gefragt, ob das für alle OK ist. Als ich der Gruppe mitteile, dass ich Übernachtungen auswärts nach Möglichkeit vermeide, wird mir nicht geglaubt. Die Präsidentin will mich sogar zu einer Teilnahme nötigen. 

Nun bin ich gezwungen, vor ihr und ihrem Stellvertreter sozusagen die Hosen herunterzulassen. Es geht die Beiden einen feuchten Staub an, dass ich auswärts immer schlecht schlafe. Es hat sie gar nichts zu kümmern, dass ich keine Parties oder abendliche Essen mag. Beim Wandern verhält es sich ähnlich. Meine Gangart kann man getrost als langsam oder lahmarschig bezeichnen. Das hat durchaus seinen Grund. Den geht aber wiederum niemanden etwas an. 

Ich finde das schon etwas blauäugig und unverständlich, wenn Präsident*innen meinen, mit einem gemeinsamen Ausflug dem Teamgeist einen Turbo Booster zu versetzen. An einem anderen spüre und finde Mich Treffen ging es am Schluss nur darum, dass ich das Problem in der Gruppe bin. Als ich mich vordergründig einsichtig zeigte, konnte man die Erleichterung des Moderators förmlich spüren.

Ist es das unausweichliche Schicksal von hochempfindsamen Personen, dass wir uns ständig erklären und rechtfertigen müssen? Warum werden wir nicht akzeptiert und respektiert wie die "Normalen"?

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Du machst, was ich dir sage!


Wie reagierst du, wenn dir der Disponent kurz vor Feierabend einen zusätzlichen, nicht geplanten Auftrag reindrückt? Du siehst, dass dadurch mit 120-prozentiger Sicherheit Überstunden entstehen werden. Als du deinen Arbeitskollegen, den Disponenten freundlich darauf aufmerksam machst, gibt es schnippisch zur Antwort: Aus meiner Sicht funktioniert das, und wenn nicht, riskiere ich es trotzdem.

Als hochempfindsamer Mensch funktionieren meine inneren und äusseren Grenzen nicht in den normalen Parametern. Ich muss(te) schmerzhaft lernen, Anweisungen an der Arbeit und Befehle wie diesen, richtig einzuordnen und entsprechend zu reagieren. Vor allem, wenn alles dafürspricht, dass der zusätzliche Auftrag nicht rechtzeitig erledigt werden kann, wird es schwierig für mich. Kann ich meine Argumente einbringen und findet eine Diskussion auf Augenhöhe statt, fällt es mir trotzdem leichter, den Entscheid mitzutragen. 

Wenn meine Argumente überhört werden und ich im Befehlston ultimativ aufgefordert werde meine Aufgaben zu erfüllen, schmerzt mich das. Ich fühle mich macht- und chancenlos als Mensch wahrgenommen zu werden. Sach- und Gefühlsebene vermischen sich öfters mal. Offensichtlich bin ich nicht der Einzige. Sonst hätte Schulz von Thun nicht das Kommunikationsquadrat erfunden. Als hochempfindsamer Mensch, erlebe ich solche Situationen einfach viel intensiver.


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